Redebeitrag vom 11.01.20 – Demo gegen die Winterakademie des IfS in Schnellroda

Hallo, ich spreche für den Kulturverein „Domstraße 2 e.V.“ aus Merseburg, einer Kleinstadt etwa 30km östlich von hier. Zu allererst möchten wir uns beim Kollektiv „IfS-Dichtmachen“ für die Organisation dieser Demo bedanken und dafür, dass sie uns gefragt haben, ob wir einen Redebeitrag halten wollen.

Warum sind wir als Merseburger Kulturverein heute hier?
Wir beobachten bestürzt die politischen Entwicklungen in Sachsen-Anhalt und ganz Deutschland, die die Vereinsarbeit betreffen. Im Jahr 2019 wurde diversen großen und kleinen Vereinen die Gemeinnützigkeit entzogen. Wir möchten hier einige Beispiele nennen:

Der Vorwurf an die Vereine „Attac“ und „Campact“ lautet, dass sie sich zu tages-politisch äußern und einbringen würden.

Im Falle des Kulturzentrums „DemoZ“ in Ludwigsburg wird der Entzug der Gemeinnützigkeit damit begründet, dass sich das DemoZ mit einer antikapitalistischen Informationsveranstaltung gegen das Grundgesetz gestellt hätte und rechtsextreme Personen ausdrücklich von seinen Veranstaltungen ausschließt.

Die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ verlor ihre Gemeinnützigkeit, weil sie Jahrelang vom Verfassungsschutz Bayern beobachtet und in seinen Berichten als „linksextrem“ gelistet wurde. Wie der Verfassungsschutz Bayern zu dieser Einschätzung gelangte, wird wie so oft nicht hinterfragt.

Der Entzug der Gemeinnützigkeit ist eine einschneidende, für die Vereine teilweise verheerende Maßnahme. Doch es beginnt schon früher, wie wir am „Treibhaus e.V.“, Träger der Jugendhilfe und soziokulturelles Zentrum im sächsischen Döbeln sehen können. Ihre bisherige institutionelle Förderung wurde ihnen nicht mehr gewährt, seit die AfD im Kreistag Mittelsachsen sitzt. Der Vorwurf: Sie seien nicht politisch neutral und freiheitlich-demokratisch.

Ähnliches geschieht auch dem Miteinander e.V. und unzähligen anderen Vereinen. Diejenigen, die noch keine Gelder gestrichen bekamen, fürchten sich vor der weiteren Entwicklung und ziehen teilweise den Kopf ein, um nicht ins Visier der AfD zu geraten.

Unser Verein „Domstraße 2 e.V.“ aus Merseburg ist nicht als gemeinnützig anerkannt, dennoch sind auch wir betroffen. Erst kürzlich wurden uns Fördergelder für eine Infoveranstaltung gegen Rechtsextremismus im Saalekreis verwehrt. Die Förderer befürchteten, von der AfD angegangen zu werden und unter politischen Druck zu geraten.

Verschiedene Begründungen, dieselbe Grundlage: Wer politisch agiert, wer sich einmischt, wer es wagt, Nazis und Rassist*innen in aller Deutlichkeit auszuschließen, der scheint wohl nicht gemeinnützig oder förderfähig zu sein.

Wir sind bestürzt und fassungslos angesichts dieser Entwicklungen. Sie sind ein Symptom des bundesweiten Rechtsrucks. Wenn Finanzämter Vereinen die Gemeinnützigkeit entziehen, ist dies als Versuch zu werten, diese mundtot zu machen und ihre Arbeit zu blockieren. Anstatt politische, antifaschistische Arbeit zu unterstützen, wird sie so aktiv erschwert.

Nicht nur von Finanzämtern kennen wir diese Haltung. Wir müssen euch nicht erzählen, dass die gleiche Haltung auch von anderen öffentlichen Einrichtungen und Politiker*innen ausgeht.

Die Denkweise von Rechten ist in der breiten Gesellschaft und Öffentlichkeit angekommen. Die Personen hier im Institut für Staatspolitik tragen dazu bei, indem sie alte Vernichtungsfantasien unter neuen Namen gesellschaftstauglich werden lassen. Die sogenannte „neue Rechte“ hat keine neuen Inhalte – nur Euphemismen dafür. Sie sprechen nicht mehr von „Rassen“, sondern von Ethnopluralismus, sie stützen sich auf „Kulturunterschiede“ und Religionen. Am Ende führt die Denkweise der alten und der neuen Rechten zum selben Ergebnis: Die Ablehnung der Gleichheit aller Menschen.

Diese Denkweise verbreitet sich überall in Deutschland. Sie führt zu Hufeisenwerfen, nicht den Mund aufmachen, weggucken. Eine Haltung und Denkart, die sich nicht nur im privaten, sondern auch in der Öffentlichkeit, in der Politik, in Hochschulen, in Einrichtungen und eben auch in Finanzämtern niederschlägt. Anstatt klare Position zu beziehen, keinen Millimeter nach rechts zu rücken, zieht man den Kopf ein und sucht fatalerweise auf linker Seite Gefährder*innen der Demokratie.

Deshalb ist es so wichtig, dass wir als Gegendemo heute hier sind. Dass wir zeigen: Wir lassen das nicht einfach so zu.

Danke, dass ihr täglich antifaschistische Arbeit leistet. Danke, dass ihr den Faschist*innen das Leben schwer macht. Danke, dass ihr Aufklärungsarbeit macht, informiert und vernetzt.

Antifaschismus ist Grundgesetz!
Antifaschismus bleibt gemeinnützig!

Schreibe einen Kommentar

Skip to content